30.04.24
Warum konsumieren mehr Männer als Frauen Cannabis?
Key Facts Geschlechterunterschiede beim Cannabiskonsum
- Statistische Daten zeigen, dass Männer häufiger Cannabis konsumieren als Frauen. In Deutschland konsumieren 10,7 % der Männer und 6,8 % der Frauen Cannabis.
- Vermarktung und Aufklärung: Wichtige Themen wie Konsumverhalten, Risiken und Nebenwirkungen sind oftmals auf männlich dominierte Inhalte ausgerichtet. Dies könnte auf eine allgemeine Unterrepräsentation von Frauen in Forschung und Wissenschaft zurückzuführen sein.
- Biologische und hormonelle Faktoren: Die höhere Impulsivität bei Männern wird als möglicher Grund für den höheren Cannabiskonsum betrachtet. Das Belohnungssystem im Gehirn, das durch Cannabis aktiviert wird, kann bei impulsiven Personen eine stärkere Anziehungskraft haben. Der Einfluss des männlichen Hormons Testosteron kann ebenfalls die stärkere Impulsivität bei Männern erklären.
- Selbstkontrolle und Gehirnstruktur: Der frontale Cortex, der für die Selbstkontrolle zuständig ist, ist bei Frauen dicker und stärker vernetzt, was ihre größere Impulskontrolle erklärt. Diese biologische Differenz könnte zu einem geringeren Cannabiskonsum bei Frauen im Vergleich zu Männern beitragen.
Der Konsum von Cannabis ist bereits seit vielen Jahren weit verbreitet. In 2021 lag die Zahl der Cannabiskonsumenten auf der ganzen Welt bei 276,32 Millionen, davon 95,24 Millionen in Asien und 74,13 Millionen in Amerika1. Europa fällt mit 31,17 Millionen auf den dritten Platz.
In Deutschland selbst ist Cannabis zum Freizeitkonsum äußerst gefragt und auch als pharmazeutischer Wirkstoff mittlerweile sehr verbreitet: 4,5 Millionen Menschen haben in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert – das sind rund 8,8 % aller Erwachsenen, die sich im Alter von 18 bis 64 Jahren befinden2. Auch eine Trennung nach Männern und Frauen ist dabei möglich: 10,7 % der Männer und nur 6,8 % der Frauen haben statistisch gesehen Cannabis konsumiert2. Das zeigt deutlich, dass der Cannabiskonsum bei Männern höher ist als bei Frauen.
Warum ist das aber so? Was sind mögliche Faktoren, die diesen Unterschied beim Cannabiskonsum von Männern und Frauen ausmachen?
Aufklärung und Vermarktung von Cannabis
Zwar richtet sich die Vermarktung für Cannabis schon in gewisser Weise an Frauen, beispielsweise in Form von CBD-Produkten für Menstruationsbeschwerden, Hautpflege, Entspannung oder Zubehör, welches eher auf Frauen zugeschnitten ist (Grinder mit femininen Motiven wie Blumen oder in Farben wie pink/rosa/..., die als eher „weiblich“ gelten), doch werden wirklich wichtige Themen wie Rausch, Konsumverhalten, Nebenwirkungen und psychische sowie soziale Auswirkungen für die weiblichen Konsumenten eher vernachlässigt. Dass das aber nicht nur allein ein Problem in der Cannabisszene ist, zeigen einige Beispiele aus anderen Bereichen: so werden beispielsweise viele Medikamente nur an Männern getestet, die Crash-Test-Dummies sind ausschließlich nach männlichen Körpern gestaltet oder Hilfsanleitungen für medizinische Notfälle wie Herzinfarkte beziehen sich einzig allein auf Männer. Sind Frauen wirklich so viel komplizierter oder warum werden sie auch heute noch in den meisten Fällen ausgelassen bzw. zur Seite geschoben?
Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Wissenschaft und viele weitere Bereiche immer noch stark männerdominiert sind. So lässt eben auch die Aufklärung in Bezug auf Cannabis und Frauen viele Themen offen und unerforscht, die bei Männern bereits zur Genüge angesprochen und erkundet wurden – nicht zuletzt, weil in vielen Studien zu Cannabis und Cannabiskonsum überwiegend Männer untersucht werden und Frauen hier außen vorgelassen werden.
Impulsivität spielt eine Rolle beim Cannabiskonsum
Laut einer Reihe von Studien sind Männer deutlich impulsiver als Frauen. Das könnte daran liegen, dass es sich in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit als Vorteil für Frauen erwiesen hat, aufkommende Impulse zu kontrollieren. Durch das Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse wären Frauen demnach besser dazu in der Lage, sich um ihre Kinder zu kümmern und dadurch die Überlebenschancen ihrer Nachkommen zu steigern.
Was hat Impulsivität aber damit zu tun, dass Männer mehr Cannabis als Frauen konsumieren? Ganz einfach: impulsives Verhalten kann den Konsum von Cannabis sowie Drogenkonsum zur Folge haben. Substanzen wie Cannabis aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn. Dieses hat die Aufgabe, Verhaltensweisen zu fördern, die für das menschliche Überleben wichtig sind. So rufen beispielsweise Essen, Intimität und soziale Interaktionen besonders gute Gefühle in uns hervor, da dies Dinge sind, die evolutionär gesehen äußerst wichtig für das Überleben der Menschheit sind. Cannabis wirkt auf genau die gleichen neuronalen Vernetzungen im Gehirn und macht es möglich, angenehme und positive Gefühle auf Wunsch hervorzurufen4.
Aber auch die Fähigkeit zur Selbstkontrolle spielt eine wichtige Rolle beim Cannabiskonsum und scheint bei Männern und Frauen unterschiedlich stark ausgeprägt zu sein. Das liegt daran, dass der frontale Cortex (dort ist die Fähigkeit zur Selbstkontrolle größtenteils angesiedelt) bei Frauen dicker ist als bei Männern und dieser auch stärker mit den Bereichen im Gehirn vernetzt sind, welche impulsives Verhalten hervorrufen können. Auch das erklärt zumindest in gewisser Weise, warum Frauen ihr Verhalten besser kontrollieren können als Männer und auch ihre Selbstkontrolle in Bezug auf den Cannabiskonsum stärker ausgeprägt ist.
Der Einfluss von Hormonen auf den Cannabiskonsum von Mann und Frau
Hormone haben ebenfalls einen Einfluss auf das unterschiedliche Verhalten von Männern und Frauen beim Cannabiskonsum. Das Verhalten kann schwächer oder stärker impulsiv sein – verantwortlich dafür ist, welche Hormone im Organismus stärker vertreten sind. Beispielsweise konnte bei neugeborenen Ratten beobachtet werden, dass sie zu einem stärkeren impulsiven Verhalten neigen, wenn sie unter einem hohen Einfluss von Testosteron stehen.
Und genau das macht den Unterschied: Testosteron ist das bedeutendste männliche Geschlechtshormon, da es maßgeblich für die Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane verantwortlich ist. Auch der weibliche Körper produziert Testosteron. Die Produktion dieses Hormons ist bei Frauen aber in der Regel deutlich geringer als bei Männern. Einige Experimente mit Ratten haben aber gezeigt, dass es bei weiblichen Tieren auch zu impulsivem Verhalten kommt, wenn sie vor der pubertären Phase Testosteron verabreicht bekommen haben. Das Hormon Testosteron hat also einen wichtigen Part für die Impulsivität, die wiederrum für den stärkeren Cannabiskonsum bei Männern als bei Frauen mit verantwortlich ist.
Die Unterschiede im Cannabiskonsum zwischen Männern und Frauen sind somit auf eine Kombination aus kulturellen, biologischen und hormonellen Faktoren zurückzuführen sind. Eine umfassendere Aufklärung und weitere Forschungen könnten dazu beitragen, das Thema besser zu verstehen und angemessenere Strategien zur Risikominimierung und Aufklärung zu entwickeln.
Quellen:
1 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37245/umfrage/anzahl-der-cannabisnutzer-weltweit-seit-2007/ abgerufen am 30.04.2024
2 https://specials.gesund.bund.de/drogenkonsum/cannabis.html abgerufen am 30.04.2024
3 https://archive.news.wsu.edu/press-release/2014/09/03/females-more-sensitive-to-cannabis-males-get-munchies/#.VXTDGmTtlBc abgerufen am 30.04.2024
4 Fattore L, Melis M. Sex differences in impulsive and compulsive behaviors: a focus on drug addiction. Addict Biol. 2016 Sep;21(5):1043-51.
5 Agabio R, Campesi I, Pisanu C, Gessa GL, Franconi F. Sex differences in substance use disorders: focus on side effects. Addict Biol. 2016 Sep;21(5):1030-42.